Wissenswertes

Der Versorgungsausgleich – was ist das?

Der Versorgungsausgleich (VA) ist der Ausgleich der von den Eheleuten in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften und wird anläßlich der Ehescheidung durchgeführt. Er ist zwangsläufig mit dem Scheidungsverfahren verbunden, es sei denn, die Parteien haben mindestens ein Jahr vor Einreichung des Scheidungsantrages durch notarielle Vereinbarung den Ausschluß des VA vereinbart. In Ausnahmefällen kann auch im Rahmen des Scheidungsverfahrens auf die Durchführung verzichtet werden, hierzu ist jedoch neben der Einigkeit der Eheleute zusätzlich die Genehmigung des Familiengerichts notwendig.

Ablauf

Nach Einreichung des Scheidungsantrages stellt das Familiengericht die Ehezeit fest. Damit nur in vollen Monaten gerechnet werden muss, gilt als Ehebeginn der erste Tag des Monats, in dem geheiratet wurde, als Ehezeitende der letzte Tag des Monats, der dem Scheidungsantrag vorausging.

Gleichzeitig übersendet das Familiengericht mehrseitige Fragebögen, auf denen die Ehegatten ihre

  • Versorgungen oder -anwartschaften aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (z.B. Beamtenpensionen)
  • Renten oder -anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (z.B. Deutsche Rentenversicherung, früher BfA oder LVA)
  • Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrenten (z.B. ZVK), VBL-Leistungen, Direktversicherungen, Pensionskassen)
  • Renten oder -anwartschaften aus privaten Versicherungsverträgen
  • Berufsständischen Versorgungsanwartschaften (Versorgungswerke der freien Berufe)
  • Ggf. ausländische Anwartschaften

anzugeben haben. Mit diesen Angaben holt dann das Familiengericht Auskünfte bei den Versorgungsträgern über Bestand und Höhe der erworbenen Anwartschaften ein. Stehen alle Anrechte fest, muss noch einige Rechenarbeit geleistet werden, denn die unterschiedlichen „Körbe“ aus denen die Anrechte stammen können, enthalten die sprichwörtlichen Äpfel und Birnen, die nicht miteinander vergleichbar sind. Um sie vergleichbar machen zu können, rechnet das Familiengericht in das „Leitbild“ der gesetzlichen Rentenversicherung um.

Erst dann kann der Ausgleich vorgenommen werden. Zusammen mit dem Scheidungsurteil entscheidet das Familiengericht, in welcher Höhe Anwartschaften von einem Ehegatten zum anderen übertragen werden. Grundsätzlich muss der Ehegatte mit den höheren Anwartschaften die Hälfte der Differenz zu den Anwartschaften des anderen an diesen abgeben. Dazu werden Anwartschaften vom Rentenkonto des pflichtigen Ehegatten abgebucht und dem Konto des Berechtigten gutgeschrieben. Das Familiengericht kann diesen Ausgleich nur in der gesetzlichen Rentenversicherung vornehmen. Reichen die Anwartschaften des Pflichtigen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aus, um alle seine Anwartschaften (beispielsweise aus einer Betriebsrente) auszugleichen oder sind Teile der Anwartschaften noch nicht erfassbar, wird der nicht ausgleichsfähige Rest in den sogenannten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verlagert. Das bedeutet, daß der verbleibende Ausgleich erst mit Renteneintritt beider Ehegatten erfolgt. Für die nicht ausgeglichenen Anwartschaften aus der Ehezeit muss der Pflichtige von seiner Rente einen Teil durch Zahlung an den Berechtigten abgeben. Die Nachteile liegen auf der Hand: Abgesehen von dem unerfreulichen Umstand, daß die geschiedenen Eheleute nach oft vielen Jahren doch noch einmal miteinander um Geld diskutieren müssen, ist die Situation für den Berechtigten sehr unsicher. Alle Ansprüche im schuldrechtlichen VA sind vom Pflichtigen abhängig. Erreicht dieser beispielsweise das Rentenalter nicht, so ist auch niemand da, an den sich der Berechtigte wenden kann, um seinen Ausgleich zu erhalten.

Bedeutung

Der VA ist aus drei Gründen besonders wichtig für die Eheleute und den Ablauf des Scheidungsverfahrens:

  1. In den Rentenanwartschaften ist regelmäßig erhebliches Kapital der Eheleute gebunden – häufig ohne daß dies den Betroffenen klar ist. Die Auskünfte der Rentenversicherungsträger geben meist nur monatliche (manchmal auch jährliche) Rentenansprüche wieder. Dadurch entsteht bei der ersten Betrachtung der Eindruck, es handele sich um kleine Beträge von untergeordneter Bedeutung. Vielfach werden im VA dann auch nur zwei- oder dreistellige EURO-Beträge von einem Ehegatten auf den anderen übertragen. Man muß sich jedoch verdeutlichen, daß es sich dabei um das unverfallbare Recht auf eine monatliche Rente ab dem Renteneintritt oder dem Invaliditätsfall handelt, also angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung leicht für mehrere Jahrzehnte Dauer. Nimmt man umgekehrt den Barbetrag, den man in eine Versicherung einzahlen müsste, um eine solche Anwartschaft zu erwerben, wird schnell klar, daß die Summen enorm sind. Derzeit (Stand 1.1.2008) beträgt der “Preis“ für 1 € monatliche Rente (ab 67 Jahre) in der gesetzlichen Rentenversicherung immerhin durchschnittlich 227,89 €. Bei einer mehrjährigen Ehedauer können so in der Altersversorgung schnell Vermögenswerte in einer Höhe von mehreren zehntausend € zusammenkommen.
  2. Auch wenn sonst keine Streitigkeiten zwischen den Ehegatten bestehen, kann die Durchführung des VA zu einer mehrmonatigen oder schlimmstenfalls mehrjährigen Verfahrensdauer der Scheidung führen. Der gesetzliche Normalfall sieht vor, daß über den VA und die Scheidung nur gemeinsam entschieden werden soll. Also erfolgt der Scheidungsausspruch erst, wenn auch der VA geregelt ist. Sind die beiderseitigen Rentenanwartschaften aufwendig zu klären (beispielsweise bei ausländischen Anrechten oder solchen, deren Wert erst durch ein Gutachten zu ermitteln ist) oder wirkt ein Ehegatte nicht ordentlich mit, kommt es leicht zu diesen Verzögerungen. Die Mitwirkung der Eheleute ist vorgeschrieben und kann vom Familiengericht notfalls erzwungen werden, was jedoch trotzdem zu Verzögerungen führt, wenn ein Ehegatte partout seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Manchmal ist dies nur ärgerlich, häufig hängen an der Ehescheidung jedoch wichtige weitere Entwicklungen (bspw. Wiederverheiratung, Planung und Umsetzung finanzieller oder geschäftlicher Entscheidungen).
  3. Interessierte Laien, aber auch viele Juristen gehen davon aus, daß der VA ohnehin „vom Gericht gemacht“ wird und keine Einflußnahmemöglichkeit besteht. Tatsächlich ermittelt das Gericht von Amts wegen (aufgrund der Informationen der Eheleute und Versorgungsträger) die bestehenden Anwartschaften und gleicht sie aus. Die gesetzliche Rentenversicherung, für die der VA bei seiner Einrichtung 1977 konzipiert war, ist jedoch in ihrer Bedeutung für die Altersvorsorge der Bevölkerung seither rückläufig. Weite Teile der Vorsorge finden privat statt (private oder betriebliche Rentenversicherungen) und/oder können nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden. Immer häufiger sind angesichts der Globalisierung auch ausländische Anwartschaften einzubeziehen, weil ein Ehegatte aus dem Ausland stammt oder dort zeitweise gearbeitet hat. Hier kann und muss der Fachanwalt für Familienrecht an vielen Stellen kontrollierend oder leitend eingreifen, um für seinen Mandanten eine optimale Vertretung sicherzustellen. Doch auch schon vor dem eigentlichen Scheidungsverfahren können in vielen Fällen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt oder zumindest zeitsparende Maßnahmen ergriffen werden.

ACHTUNG: Zum 01.09.2009 tritt die lange angekündigte Reform des Versorgungsausgleichsrechts in Kraft. Die wichtigstenÄnderungen habe ich in einem gesonderten Artikel in der Rubrik “Wissenswertes” zusammengefasst und empfehle dringend, auch diesen Beitrag zu lesen.