Scheidung online – eine Mogelpackung?
Das Internetzeitalter hat in den meisten Anwaltskanzleien Einzug gehalten. Homepage, Emailadresse, Onlinerecherche uvm. sind auch aus dem Anwaltsalltag kaum noch wegzudenken. Kein Wunder, dass damit geworben wird, Gerichtsverfahren online abzuwickeln. Besonders häufig trifft man in diesem Zusammenhang auf den Begriff “Scheidung online”. Doch was steckt wirklich hinter diesem Angebot und was kann es tatsächlich leisten?
Noch sieht es um den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz eher mau aus. Längst nicht alle Gerichte und Gerichtsabteilungen sind online. Flächendeckend ist bisher lediglich das elektronische Grundbuch eingeführt. Auch Handelsregister, Insolvenzbekanntmachungen oder Mahnverfahren sind schon weitgehend umgestellt.
Doch die Möglichkeit, Anträge oder Klagen online einzureichen, steckt fast überall noch in der Erprobung oder Pilotphase. Da die Justiz Ländersache ist, sind die Fortschritte unterschiedlich weit gediehen.
Wer sich für den aktuellen Stand interessiert, findet hier Näheres.
Es
ist derzeit also nur in Einzelfällen möglich, bspw. einen
Scheidungsantrag online einzureichen und dies auch nur für Anwaltsbüros,
die bei dem zuständigen Gericht für die Teilnahme registriert und mit
passender Kennkarte, Verschlüsselungstechnik und ähnlicher Infrastruktur
ausgestattet sind.
Unterstellen wir, Sie haben das Glück, dass ein
solches Gericht für Sie zuständig ist und ein passender Anwalt Ihr
Vertrauen findet. Wie geht es dann weiter? Ganz einfach – wie in allen
anderen Scheidungsverfahren auch. Zwar kann der Schriftwechsel mit dem
Gericht online abgewickelt werden, aber weder das Bürgerliche Gesetzbuch
noch die Zivilprozessordnung oder das neue Gesetz über das Verfahren in
Familiensachen kennen eine “Scheidung online”. Sie werden also wie
jedermann alle Vorgaben dieser Gesetze erfüllen müssen, um geschieden zu
werden. Dies schließt die eigentlichen Scheidungsvoraussetzungen ebenso
ein wie die Teilnahme an der obligatorischen mündlichen Verhandlung im
Gericht. Sie müssen eine einvernehmliche Regelung der Folgesachen
erreichen oder diese langwierig vor Gericht ausfechten. Online
eingereichte Anträge genießen keine Vorrechte und werden auch nicht
bevorzugt bearbeitet. Sämtliche Fristen gelten auch hier. Nicht einmal
die Kosten sind geringer: Sie richten sich in allen Fällen – online oder
nicht – nach dem Gerichtskostengesetz und dem
Rechtsanwaltvergütungsgesetz.
Effektiv entfallen also lediglich die Postlaufzeit, das Porto und der Papierverbrauch. Das ist immerhin etwas, doch sind die beiden letzten Punkte eher für den Anwalt (und seine Bürokosten) als für den Mandanten wesentlich.
Vor allem
aber entfällt der persönliche Kontakt mit dem beauftragten Rechtsanwalt.
Onlinefragebögen werden ausgefüllt, Unterlagen eingescannt und Emails
geschrieben. Eine persönliche Begegnung oder Betreuung ist nicht
vorgesehen. Mag das von dem einen oder anderen Mandanten mit knapper
Zeit begrüßt werden, sind doch in der Praxis die wenigsten Fälle dafür
geeignet. Hand auf’s Herz: Würden Sie Ihren Arzt um eine Onlinediagnose
bitten?
Wir sind der Auffassung, dass dem elektronischen
Rechtsverkehr die Zukunft gehört. Aber bis dahin ist “Scheidung online”
nur ein Schlagwort, unter dem sich der Mandant und der Anwalt
unterschiedliche Dinge vorstellen.
Auch wir arbeiten
selbstverständlich mit Emails, Onlinerecherche und computergestützten
Berechnungsprogrammen. Die Rechtsberatung ist jedoch eine so komplexe
Dienstleistung und das Familienrecht ein so sensibler Bereich, dass wir
daneben die persönliche Begegnung und Betreuung unserer Mandanten für
unverzichtbar erachten.